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Dürfen Männer weinen ...

oder wollen wir uns nicht verändern?



Liebe Jessica,



in meinem Kopf herrscht totales Chaos.




Dein letzter Brief ist schon wieder eine Woche her. Du schriebst über das "Hier und Jetzt"!


Aktuell habe ich das Gefühl, ich bin irgendwie überall. Da ich seit geraumer Zeit auch ein rollendes Büro und ein Bett sowie die Küche dabei habe, ist ein wenig Kontinuität da. Doch die letzten 10 Tage war ich nur unterwegs.

Also war das "Hier" immer woanders. Und gleichzeitig passierten dann so viele Dinge im Außen.

Das Prägnanteste war die Ankündigung meines Jugendfreundes aus Israel, der uns heute für knapp 48 Stunden besuchen wird. In unserem Videochat am Dienstag konnte man ihm die Anspannung und Erschöpfung durch die letzten Wochen ansehen. Mal unabhängig, dass es keinen Menschen in seinem nahen Umfeld gibt, der nicht unmittelbar von der aktuellen Situation vor Ort betroffen ist, berührt es mich, dass sein Sohn sowie die älteste Tochter nun in der Armee sind.

Unser Sohn hat sich gestern bei einem Unfall seine Bänder gedehnt oder gerissen. Gerade im Moment wird er untersucht, ob die Achillessehne operiert werden muss .....


Mein Freund hingegen weiß nicht, ob seine Kinder aus dem Einsatz zurückkommen. Das kann man keinem Menschen wünschen. Also werden wir nun versuchen, ihm die nächsten Stunden so angenehm wie möglich zu machen - im "Hier und Jetzt".


Und dann habe ich fast die ganze Woche beruflich unter dem Stern der Mediation zugebracht. Es gab eine Situation in einem Konzern, in welcher zwei gestandene Männer erstmalig öffentlich über ihrer Gefühle, Ängste und ein stückweit auch über ihre Bedürfnisse gesprochen haben.

Da kamen Tränen hoch. Dämme sind gebrochen ... - für die Beteiligten haben sich ungeahnte Chancen aufgetan.


Es ist so wichtig, sich seine Gefühle anzuschauen, diese zu aktzeptieren und zuzulassen.


Denn erst dann habe ich eine Chance, weiter zu wachsen.

Das Außen kann ich nicht ändern. Der Unfall unseres Sohnes ist passiert. Da kann ich als Vater soviel lamentieren, wie ich will: "Warum hat er nicht aufgepasst!" oder all die anderen Sprüche. Oder bei meinem Freund, der ja sogar monatelang Woche für Woche auf der Straße gegen die Regierung demonstriert hat. Die Regierung war da und die Ereignisse sind geschehen. Das lässt sich nicht mehr ändern. Oder wie in dem Konzern, wo Konflikte per Definition durch Strukturen, unklare Anweisungen, Fehlinformationen oder Umstrukturierungen vorprogrammiert sind.


Aber wir haben es alle in der Hand wie wir selbst zu uns und unserem Einflussbereich stehen.


Ich habe mich dazu entschieden, mit meinem Bus zum Kunden zu fahren. Ja - da werde ich dann jedes Mal in einer neuen Umgebung aufwachen. Und da liegt es an mir, ob ich mich darüber ärgere, dass ich die Gegend nicht kenne, in der ich stehe. Oder ob ich mich über das Käuzchen freue, welches über mir Krakel macht.




Ja - Durcheinander ist gut, denn dadurch habe ich die Chance, mich neuen Dingen zu öffnen.


Deshalb freue ich mich, jetzt zum Bahnhof zu fahren und meinen Freund in den Arm zu nehmen. Meinem Sohn wünsche ich nur eine Dehnung.

Und dir und allen anderen wünsche ich einen wunderbaren Freitag sowie ein friedvolles Wochenende



Liebevolle Grüße

Andreas




 


Andreas Jelden, geboren 1966, gibt erfolgreichen und ambitionierten Menschen ihre berufliche Freiheit zurück.

Er unterstützt insbesondere Unternehmer und Führungskräfte, ihre berufliche Veränderungen zu meistern und wieder in ihre Leichtigkeit zu kommen.

Seit über 40 Jahren arbeitet er mit und für Menschen, hat kleine und große Teams geführt. In Kriegsgebieten und Krisenregionen wie auch sonst hat Andreas umfangreiche Krisenmanagementerfahrungen gesammelt.

Persönliche Herausforderungen haben ihn sein ganzes Leben begleitet. Deshalb ist er immer wieder andere Wege gegangen und hat neue Lösungen erarbeitet.

Andreas arbeitet systemisch, methodenübergreifend sowie integrativ emotionsorientiert auf Basis der aktuellsten neurowissenschaftlichen Grundlagen.

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